Die ideale Schreibzeit (für Berufsautoren) oder auch: Hilfe, ich komme nicht voran!

Wer regelmäßig schreibt, der kennt und fürchtet sie gleichermaßen: Die Schreibblockade. 

Unbeliebter Dauergast

Dieser verbissene, unbeliebte Dauergast, der sich ungefragt auf der Tastatur oder unserem Blatt Papier breit macht und einfach nicht gehen will. Am liebsten würden wir ihn nach draußen vor die Tür schicken, aber wir finden keine oder einfach nicht die richtigen Worte, um ihn loszuwerden. Und so bleibt er da, krabbelt vom Stift den Arm hinauf und pustet uns den kalten Angstschweiß in den Nacken.

Kampf der Schreibblockade

Was kann man tun, damit dieser Unruhestifter erst gar nicht auf einen aufmerksam wird? Damit er gar nicht erst durch die Tür hereinspaziert, sich Kaffee und Kuchen erschleicht und anschließend beschließt, auch noch über Nacht zu bleiben? Wir wissen alle, dass es niemals bei einer Nacht bleibt. Und wir Autoren wissen auch: Je öfter wir ihn reinlassen, desto öfter kommt er auch zu Besuch. Also muss der ideale Arbeitsplan her, mit dem wir im stetigen Flow eine Seite nach der anderen schreiben. 

Der ultimative Anti-Schreibkrisen-Plan

Es gibt viele Artikel, Interviews und Videos über die ideale Schreibzeit. In meinen verzweifelten Phasen habe ich sie alle gegooglet (das und auch die mich immer wieder heimkehrende Befürchtung „Wie ich erkenne ob ich faul bin“).

Da gibt es die eine Weltbestseller-Autorin, die schwört, dass ihr „die Ideen einfach so kommen“ (kenn ich) und sie sie „dann einfach so runterschreiben kann“ (kenn ich nicht).

Da ist der erfolgreiche Selfpublisher, der akribisch und minutiös seinen Tag nach Schreibphasen plant (geht da nicht die Kreativität verloren?). Mein Lieblingsautor beginnt schon morgen ums 3 zu schreiben und ist mit dem Frühstück fertig – die Lieblingsautorin meiner Freundin schreibt nur nachts und mag sich nicht in ein Korsett stecken lassen. 

Im Test: Empfohlene Schreibzeiten

Meine Schreibblockade und ich, wir lesen uns diese schriftstellerischen Arbeitsstile aufmerksam durch, ich interessierter als meine unerwünschte Besucherin. Ihr fauliger Atem haucht „Existenzangst“ in mein Ohr, die Deadline für mein Manuskript längst überfällig. Also probiere ich sie, diese Stile, die Stile von den großen und weniger großen Schreibenden und hoffe, das etwas hängen bleibt. Ich hab‘ ja sowieso nichts zu verlieren.

Wer den frühen Vogel fängt

Ich beginne meinen Tag nicht um drei, aber um halb sechs in der Früh. Unweigerlich denke ich an eine gute Freundin aus Berlin, die dort eine Yoga-Praxis leitet und ebenso auf Tagesbeginn vor Sonnenaufgang schwört. Ich probiere es eine Weile: Ich liebe es, gleich im Bett meine Arbeit zu verrichten, ich erlebe mich extrem fokussiert. Ich stehe auf und beginne den Tag mit dem Wissen, ein Kapitel noch vor dem Frühstück beendet zu haben. Es ist ein gutes Gefühl. Bis es kein gutes Gefühl mehr ist. Phasenweise werde ich wieder langsamer, bin vom Vortag so übermüdet, dass mich der Wecker in den Tag reißt und ich schon fast aus Trotz keine Zeile zustande bringe. Wieder sitze ich frustriert vorm leeren Blatt, meine Schreibblockade küsst entzückt mein Gesicht.

In der Nacht sind alle Katzen schwarz

Nachts arbeiten, das kenn ich schon aus meiner Unizeit. Die Deadline so lange ignoriert, bis es nicht mehr anders ging und in unmenschlicher Intensität so lange ins Dunkel hineingeschrieben, bis die ersten Sonnenstrahlen wieder ans Fenster klopften. Ich drehe den Rhythmus also, verbringe den Tag mit Freizeitaktivitäten, fühle mich erfrischt und inspiriert. Am Abend bin ich so erfüllt und angenehm ruhig, dass mir das Schreiben recht leicht von der Hand geht. Ich habe keinen Stress, ich weiß, ich habe die ganze Nacht für mich, niemand wird mich anrufen, keine Termine zu erledigen. Ich und mein Blatt sind ganz allein. Es läuft wunderbar. Bis mich nach einiger Zeit tagsüber das schlechte Gewissen packt, ich nicht mehr im Moment lebe, weil ich noch an die zu erledigende Arbeit denke (und die Sorge hochkommt, ich könnte mein Pensum nicht schaffen) und abends, wenn es dann endlich so weit ist zum Schreiben, ich teilweise viel zu müde bin, um mich konzentrieren zu können. Etliche Tage verstreichen, an denen ich nicht vorangekommen bin. Die Blockade drückt mich herzlich an ihre Brust.

Fazit: (Fast) Alle Wege führen nach Rom

Soll ich meine Versuche wirklich noch weiter ausführen? Ich habe es morgens, mittags, abends, nachts probiert. Habe es mit akribischer Zeiteinteilung versucht, mit spontaner Wann-immer-mich-die-Muse-küsst-Einteilung, gestückelt, am Stück, stückweise in die seelische Zerstückelung. Es hat alles funktioniert. Bis es nicht funktionierte. Ich bin ein Mensch mit immer wieder veränderten Bedürfnissen. Ich bin keine Maschine. Ich arbeite heute so, morgen so. Manchmal monatelang in dem Stil, dann wochenweise immer anders. Mein Problem ist nicht die Zeit. Es ist, wie so oft, die gute Freundin meiner Schreibblockade. Die, die der Schreibblockade immer sagt, was sie mir zuflüstern soll und dann hemmungslos anfängt zu kichern: Es ist wie so oft meine innere Kritikerin.

Ängsten zuhören und nicht unterschätzen

Hinter der Schreibarbeit steckt auch eine mentale Arbeit. Die wird oft unterschätzt. Gerade im beruflichen Kontext. Die Fülle unseres Bankkontos hängt davon ab, wie gut und schnell wir schreiben. Das macht Druck. Und Druck hemmt. Das muss man erst einmal lernen; mit diesem Druck umzugehen. Wer unter Druck ist, gibt auch vielen Ängsten Raum. Berechtigten und unberechtigten. Bin ich wirklich gut genug? Wird das jetzt wirklich was? Macht das überhaupt noch Sinn? Wird mir dieses Manuskript wirklich jemand abkaufen? Wie soll ich in dem Tempo nur jemals genug Geld verdienen! Diese destruktiven Fragen sind es, die uns hemmen. Nicht die falsche Arbeitsaufteilung.

Wie denn dann, wenn nicht so?

Was bedeutet das nun für die ideale Arbeitszeit eines Autors? Ihre ideale Arbeitszeit kennen nur Sie, niemand anderes. Das Einzige was hilft, ist: Ausprobieren. Gehen, fallen, aufstehen, weitergehen. Error and Trial, wie früher. Schauen, wie sich dieser Weg anfühlt und dann entweder dranbleiben, bis es immer besser wird oder etwas Neues probieren. Durchhalten ist wichtig. Und: Sich nicht übernehmen. Je öfter die Ängste, die bösen Fragen anklopfen, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sich überschätzt hat mit dem Arbeitspensum, dass man zu streng mit sich ist. Es ist gut, das große Ganze zu sehen, aber noch wichtiger, in kleinen, stetigen Schritten voranzukommen. Manche können mit den großen Schritten super umgehen. Bis es nicht mehr geht. Dann heißt es: Trippeln Sie. Aber trippeln Sie nach vorne.

Mein Resümee

Also, noch einmal: Ich habe alle Arbeitsstile und -rhythmen getestet. Entweder gingen sie oder sie gingen nicht. Das Einzige, was sich wie ein roter Faden durchzieht, was immer funktioniert: Dranbleiben. (Man kann es nicht oft genug wiederholen.)

Bleiben Sie dran, in kleinen Schritten. Wenn Sie auch nur einen Satz schreiben, ein Wort: es ist ein Fortschritt im Vergleich zu dem Tag, an dem Sie nichts geschrieben haben. Oh, auch wichtig: In Krisenzeiten sollten Sie sich mit niemand anderem vergleichen außer sich selbst. 

Dann, auch ganz wichtig: Trauen Sie keinem Ratgeber zu diesem Thema, seien es Bücher, Coaches, Youtube-Videos oder Blogbeiträge wie diese. 

Lassen Sie sich gerne von Worten wie diesen inspireren, nehmen Sie die Impulse mit, die sie anspricht, aber um Gottes Willen, trauen Sie niemand anderem als sich selbst. 

Sie müssen sich mit sich selbst beschäftigen – sorry, ist einfach so.

Am Ende des Tages kommen Sie einfach nicht drum herum, sich mit sich selbst beschäftigen zu müssen. Das kann niemand für Sie übernehmen (leider auch nicht ich) (manchmal wünschte ich, jemand hätte es bei mir übernommen und mir einfache, bequeme Lösungen mitgegeben).

Und denken Sie daran, wenn Sie wieder vor einem leeren Blatt verzweifeln: Der erste Satz muss weder leicht noch schwer sein. Er muss nur eins: geschrieben werden.

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